Spätgotischer Turmriss, Hans von Baden, um 1495, Architekturmuseum der TUM, Spätgotischer Turmriss, Hans von Baden, um 1495, Architekturmuseum der TUM, - Mit freundlicher Genehmigung von: evskunststiftung

Wer: evskunststiftung

Was: Presse

Wann: 21.09.2022

Verschollener Turmriss aus der Spätgotik kehrt zurück, 1495

Provenienz: 1763 – 1829 Philipp Jakob Becker, Karlsruhe; 1829 – 1946 Friedrich Hoffstadt, Memmingen; 1848 – 1904 Akademie der Bildenden Künste, München; 1904 – ca. 1945 Technische Hochschule München (nach 1945 verschollen); 2022 erworben aus Privatbesitz. STELLUNGNAHME PROF. DR. ANDRES LEPIK, DIREKTOR,…

Verschollener Turmriss aus der Spätgotik kehrt zurück, 1495

Provenienz: 1763 – 1829 Philipp Jakob Becker, Karlsruhe; 1829 – 1946 Friedrich Hoffstadt, Memmingen; 1848 – 1904 Akademie der Bildenden Künste, München; 1904 – ca. 1945 Technische Hochschule München (nach 1945 verschollen); 2022 erworben aus Privatbesitz. STELLUNGNAHME PROF. DR. ANDRES LEPIK, DIREKTOR, ARCHITEKTURMUSEUM DER TUM

„Wir freuen uns sehr, dass eine der ältesten und wertvollsten Architekturzeichnungen unserer Sammlung, die wir über Jahrzehnte verloren glaubten, nun wieder zurück in unseren Bestand kommt. Ohne die schnelle und entschlossene Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung wäre dies nicht möglich gewesen.“ –

STELLUNGNAHME DR. MARTIN HOERNES, GENERALSEKRETÄR, ERNST VON SIEMENS KUNSTSTIFTUNGAuch über 50 Jahre nach Kriegsende fehlen deutschen Museen und Sammlungen noch Kunstwerke, die in den Kriegswirren ‚abhanden‘ gekommen sind. Diese Kunstwerke sind kein normales Handelsgut, liegt das Eigentum doch weiter bei den ursprünglichen Einrichtungen – nur der Diebstahl ist meist verjährt. Deshalb bemühen sich Auktionshäuser, Kunsthandel und auch die Ernst von Siemens Kunststiftung oft um einen Kompromiss und die Rückführung der quasi unverkäuflichen Werke. Ein normaler Kaufpreis kann dabei nicht gezahlt werden. Meist handelt sich um 10 bis 15 % des Schätzwertes und auch dieser ‚Finderlohn‘ kann beträchtliche Summen erreichen. Im Fall des wunderbaren Turmrisses von Hans von Baden kann man Versicherungswerte von Museumsexponaten und den Kaufpreis des 2018 für eine Sammlung in Freiburg erworbenen Planriss des Münsterturms von 1430 vergleichen. Ein Schätzwert von einigen hunderttausend Euro ist für solche raren Zeugnisse des mittelalterlichen Bauwesens durchaus möglich. Die daraus ermittelte Kompromisszahlung ist somit immer noch hoch; aber angemessen und sinnvoll, denn bereits 2012 war der Planriss im Auktionshandel aufgetaucht und nach einer Intervention der TUM wieder in einer Privatsammlung verschwunden. Diesmal gelang es, die mittelalterliche Zimelie wieder für die Öffentlichkeit zu sichern und man darf gespannt sein auf die kommenden Präsentationen in Ausstellungen und die zu erwartenden Forschungsergebnisse wie beispielsweise die Identifikation des dargestellten spätgotischen Turmbauwerks.

Da über die Tätigkeit von Baumeistern im Mittelalter nur wenige schriftliche Zeugnisse vorliegen, sind Planrisse ein besonders wichtiges Mittel, um wissenschaftliche Erkenntnisse über die Bau- und Planungstätigkeit zu gewinnen. Anhand von Planrissen lässt sich zum einen die Arbeitsweise mit Zirkel und Richtscheit in den Bauhütten rekonstruieren, zum anderen können Planungsprozesse im Vergleich mit dem ausgeführten Bau nachverfolgt und es können Varianten und Proportionen analysiert werden. Planrisse sind ein einzigartiges Medium zum Erforschen mittelalterlicher Architektur.

Der Turmriss war seit 1815 im Besitz des Karlsruher Galeriedirektors Philipp Jakob Becker und ist seit seiner ersten Veröffentlichung im selben Jahr durch Georg Moller in der Fachliteratur bekannt. Nach dem Tod von Becker ging er 1829 in die Sammlung des Memminger Gerichtsassessors Friedrich Hoffstadt über. Im Jahr 1848 erwarb ihn die Akademie der Bildenden Künste in München zusammen mit dem Nachlass von Hoffstadt als Lehrmaterial für die Architektenausbildung. 1904 wurde die Zeichnung des Turms auf Veranlassung der Professoren Friedrich von Thiersch und Friedrich von Schmidt an die Plansammlung der damaligen Technischen Hochschule München abgegeben. Hier wurde der Turmriss von Heinz Rudolph Rosemann und Otto Kletzl wissenschaftlich untersucht und 1924 beziehungsweise 1936 publiziert. Mit der Auslagerung der Bestände in den letzten Kriegsjahren verschwand der gotische Planriss und galt als verschollen. 1973 konstatierte Peter Pause in seinem Inventar gotischer Baurisse den Verlust des Blattes. 2012 tauchte er erstmals wieder im Stuttgarter Kunsthandel auf. Dank eines Hinweises von Prof. Dr. Johann Josef Böker, seinerzeit Ordinarius für Kunst und Baugeschichte des Karlsruher Instituts für Technologie und Direktor der dortigen Plansammlung, erhielt das Architekturmuseum der TUM davon Kenntnis und meldete seine Ansprüche als Eigentümer an. Noch vor der Versteigerung wurde das Blatt jedoch vom Einlieferer zurückgezogen und verschwand erneut, bis es 2022 und nun im Freiburger Kunsthandel angeboten wurde. Die Identifizierung dieses einzigartigen Blattes mit dem aus der Münchner Architektursammlung verschwundenen Risses ist aufgrund der übereinstimmenden Größe sowie eines historischen Fotos und den Publikationen aus der Zwischenkriegszeit zweifelsfrei. Als Kat.-Nr. 14 wurde der Turmriss 2013 im Bd. 1 (Architektur der Gotik Rheinlande) des Corpuswerks der gotischen Baurisse unter Darlegung der Provenienz von Johann Josef Böker publiziert.

Auf zwei durch einen Klebefalz miteinander verbundenen Pergamentbögen zeigt der Riss einen noch nicht eindeutig lokalisierten Entwurf für einen Kirchturm, bestehend aus einem zweigeschossigen quadratischen Unterbau, einem quadratischen Zwischengeschoss, einem Oktogongeschoss und einem Maßwerkhelm. Von der Forschung wird der Straßburger Baumeister Hans von Baden als Zeichner genannt. Die Datierung weist in das letzte Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts. Der Zeichner benutzte Zirkel und Lineal für die großen Architekturformen, alle Detail- und Dekorationsformen wie Krabben, Kreuzblumen, Wirtel und Konsolen sind dagegen freihändig ausgeführt und sind daher etwas ungenau. Schrägen wurden zum Teil gepunktet, Kehlen mit Kreuzschraffur hervorgehoben oder geschwärzt. Die Säulen für die Figurenkonsolen sind in Blindrillen angelegt, aber nicht mit Tusche ausgeführt.

ARCHITEKTURMUSEUM DER TUMDas Architekturmuseum ist Teil der Technischen Universität München und eines der wichtigsten Forschungsinstitute für Architekturgeschichte in Deutschland. Mit Eröffnung der Hochschule 1868 in einem Neubau westlich der Alten Pinakothek wurden für den Architekturunterricht einzelne Lehrmittelsammlungen eingerichtet, die den Grundstock des heutigen Archivs bilden. 1912 wurden die Lehrmaterialien zur Architektursammlung zusammengefasst. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelangten die Bestände in die Depots der Hochschule. Seit 1975 wurde die Spezialsammlung systematisch in ein wissenschaftliches Forschungsarchiv mit Museumsaufgaben umgewandelt und in den folgenden Jahren durch eine intensive Ausstellungstätigkeit zunächst im Münchner Stadtmuseum erstmals einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dadurch wuchs die internationale Bekanntheit, sodass das Architekturmuseum 1989 in das Programm einer dritten Pinakothek auf dem Areal der ehemaligen Türkenkaserne aufgenommen wurde.

Mit eigenen Ausstellungsräumen konnte sich das Architekturmuseum der TUM seit 2002 als Forum zur Vermittlung von Architektur und als Schaufenster des Department Architecture der TUM etablieren. Gegenwärtig umfasst die Sammlung des Architekturmuseums der TUM über 600.000 Zeichnungen, 200.000 Fotografien, 1500 Modelle und viele weitere Medien. Es zählt zu den größten Architektursammlungen im deutschsprachigen Raum, und die dynamisch wachsenden Bestände dienen kontinuierlich als Grundlage für internationale Forschungen sowie Lehre und Ausstellungen.

Tags: Philipp Jakob Becker, Spätgotik

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Otto Piene (Bad Laasphe 1928-2014 Berlin), Ohne Titel. Farbserigraphie. Sign., numeriert 81/100, dat. 1972