Die Altmeister-Auktion des Dorotheum am 21. Oktober 2014 begann mit einem Paukenschlag. Das Titellos des Auktionskataloges, die Satire auf die menschliche Torheit „Der Narrenhandel“, des Flamen Frans Verbeeck wurde auf über drei Millionen Euro angesteigert (€ 3.035.000) – ein Weltrekord für den Künstler und einer der höchsten Preise, die je in Österreich bei Auktionen erzielt wurden.Stilistisch ist das Gemälde mit Arbeiten von Hieronymus Bosch und Brueghel vergleichbar. Das heiß am Telefon und im Saal umkämpfte Werk wird in Zukunft in Flandern bleiben. Das vielfigurige Bild, auf dem sich detailreiche Szenen entdecken lassen, illustriert anschaulich historische Sprichwörter, die die Narretei der Menschen aufs Korn nehmen.
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Artikel von Alexander Wied, Kunsthistoriker, zu dem Gemälde von F. Verbeeck, aus dem Dorotheum myART MAGAZINE Nr. 4
Der Name Verbeeck dürfte bis jetzt nur Spezialisten bekannt gewesen sein. Nun kommt ein imposantes Hauptwerk dieser Malerfamile zur Auktion – Ein Anlass, sich näher mit dem Schaffen der Familie Verbeeck auseinanderzusetzen. Die Verbeecks waren im 16. Jahrhundert in Mechelen tätig, nicht weit von Löwen und den großen Zentren Brabants, Brüssel und Antwerpen. In Mechelen war die Wasserfar- benmalerei auf Leinwand zuhause; diese diente teils als Ersatz für die teureren Tapisserien, zum Teil war es billige Kunsthandelsware, von der aufgrund ihrer geringen Haltbarkeit wenig erhalten ist. Karel van Mander schrieb in seinem „Schilder-Boeck“ (Haarlem 1604) in der Lebensbeschreibung des Hans Bol, dass in Mechelen 150 solcher Ateliers bestanden. Hans Bol sowie Lucas und Marten van Valckenborch kamen aus Mechelen, Pieter Brueghel d. Ä arbeitete Torheit immer im Umlauf und somit unausrottbar ist – eine Satire auf die Narrheit der Menschen. dort kurz an einem Altar, zu dem er den Auftrag nicht erhalten sollte, und auch die Malerfamilie Verbeeck war in Mechelen tätig.
wurde bereits zwei Mal, 1980 und 2003, unter dem Namen Frans Verbeeck publiziert. Da meh- rere Maler mit dem Namen Frans und auch Jan Verbeeck in Mechelen gelebt haben, bedarf die- se Zuschreibung einer kurzen Erläuterung: Man muss sich eine vielköpfige Malerdynastie vorstel- len, die in einem weit verzweigten Werkstattbe- trieb Bilder produzierte. Diese könnten, so Paul Das außergewöhnliche Bild „Der Narrenhandel“ Vandenbroeck 1981, „aufgrund weitgehender kom- positorischer, stilistischer und ikonografischer Verwandtschaften […] der ,Gruppe Verbeeck‘ zugeschrieben werden“. Daher „erscheint es vor- läufig unsinnig, über ,Frans‘ oder ,Jan‘ Verbeeck zu reden und die hier genannten Werke einem dieser Künstler zuzuschreiben“.
Nichtsdestoweniger wurde das Bild zuletzt im Aus- stellungskatalog „De Zotte Schilders“ (2003) neuer- lich als Werk Frans Verbeecks publiziert, dieses Mal mit dem Zusatz „de Oude“ – das heißt, dass man es einem älteren Frans Verbeeck zuwies.
Die Ikonografie des Bildes ist äußerst komplex: In einer offenen, wiesenbegrünten Landschaft handeln unter einem großen Baum Kaufleute mit zahlrei- chen kleinen Männchen. Diese sind zum Teil durch ihre Kappen und Schellen als Narren zu erkennen. Diese Handelsszene kann nur als Allegorie zu ver- stehen sein: Sie verbildlicht wohl, dass menschliche Torheit immer im Umlauf und somit unausrottbar ist – eine Satire auf die Narrheit der Menschen.
Im Vordergrund sitzen Kaufleute an einem Tisch und wiegen kleine Narren, während ein Wander- krämer und seine Frau aus Sack und Körben wei- tere anbieten. Der Krämer ist wie mit einer Tren- se geschirrt und hat an der Stirn einen kleinen Narren sitzen, der mit dem Hammer auf die bekannte Steinoperation anspielt. Die operative Entfernung eines Steins aus der Stirn war ein von Hieronymus Bosch ausgehendes Bildthema, das im 16. und 17. Jahrhundert in zahlreichen Varia- tionen verbreitet war. Die Botschaft ist einfach: Dummheit lässt sich operativ nicht entfernen, die Operation ist nutzlos, also ebenfalls närrisch.
Genauso närrisch ist ein links der Hauptszene zu sehendes Pilgerpaar, das in Anbetung vor einem alten Narrenpaar niederkniet. Die Närrin säugt und füttert gleichzeitig einen kleinen Narren mit Brei.
Kritisch in den Blick gerät auch der Klerus: Das Liebespaar rechts am Bildrand ist als Mönch und Nonne erkennbar. Sie sind dem Kloster entsprungen und frönen der Liebesnarretei.
Anregung oder Anleitung zu vielen anspielungsrei- chen, rebusartigen Details findet der Betrachter in den satirischen Reimtexten der Rhetorikergilden, der „Rederijkers“ (vergleichbar etwa mit den heutigen Karneval- und Faschingsrednern), in denen Untu- genden und Torheiten aufs Korn genommen wurden.
Detail: LiebesnarreteiDie im Bild angebrachten Schrifttäfelchen beinhal- ten möglicherweise kurze Sentenzen aus solchen Rederijker-Texten, sind aber kaum mehr lesbar.
Ein Beispiel: Über dem Reigentanz rechts im Hin- tergrund hängt ein Käfig mit einem Narren; er sitzt auf einem großen Ei, aus dem ein kleiner Narr schlüpft – ein Verweis auf das Sprichwort „men mag geen zot eieren laten uitbroeden“ („Man lasse keinen Narren Eier ausbrüten“), das heißt Narren brüten nur wieder Narren aus.
Von den übrigen „Tüchlein“ der Verbeecks weichen auch das ungewöhnlich große Format des Gemäldes und die Verwendung von Ölfarben im Unterschied zu den sonst ausschließlich eingesetzten Tempera- farben ab.
Eine reduzierte und etwas verkleinerte Werkstatt- kopie2 kam am 16. Oktober 2007 (Kat. Nr. 38 mit Farbabb.) im Dorotheum in Wien zur Auktion. Sie reicht in der malerischen Qualität nicht an das vorliegende Exemplar heran, das den Prototyp der Komposition darstellt und als ein Hauptwerk des Hauptmeisters dieser Malerfamilie anzusehen ist.
Die Kunst der Verbeecks kann in ihrer stilistischen Eigenart und selbstständigen, reichen Ikonografie unabhängig neben das Werk der großen Meister Bosch und Brueghel gestellt werden. Im Gegensatz zu jener der Bosch-Nachfolger Pieter Huys und Jan Mandyn geht sie, wie Vandenbroeck betont, weder direkt auf Bosch noch auf Brueghel zurück.
Die Verbeecks schufen eine Bildwelt sui generis, die in ihrer Seltsamkeit in der zeitgenössischen nieder- ländischen Malerei keine Parallele hat und uns mit ihren bisweilen bis ins Skurrile und Karikaturhafte gesteigerten Menschentypen aus der flämischen Folklore überrascht und erstaunt.
Das gut erhaltene Bild zeigt beispielhaft die hohe Qualität, die die meist ruinösen Wasserfarben-Bilder der Verbeeck-Gruppe nur mehr erahnen lassen.
Alexander Wied ist Kunsthistoriker und war von 1992 bis 2008 als Kustos an der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums Wien tätig.