Klaus Mosettig The David Plates, 7 © Klaus Mosettig, Bildrecht Wien Klaus Mosettig The David Plates, 7 © Klaus Mosettig, Bildrecht Wien - Mit freundlicher Genehmigung von: khm

Was: Ausstellung

Wann: 15.10.2019 - 19.01.2020

Zeitgleich mit der großen Herbstausstellung Caravaggio & Bernini präsentiert das Kunsthistorische Museum im Bassano Saal eine neue Werkserie des österreichischen Künstlers Klaus Mosettig. Seine Serie The David Plates basiert auf Röntgenaufnahmen von Caravaggios Gemälde David mit dem Haupt des Goliath aus der Sammlung des Kunsthistorischen Museums. Die fünfzehn…
Zeitgleich mit der großen Herbstausstellung Caravaggio & Bernini präsentiert das Kunsthistorische Museum im Bassano Saal eine neue Werkserie des österreichischen Künstlers Klaus Mosettig. Seine Serie The David Plates basiert auf Röntgenaufnahmen von Caravaggios Gemälde David mit dem Haupt des Goliath aus der Sammlung des Kunsthistorischen Museums. Die fünfzehn Zeichnungen wurden von Klaus Mosettig in seinem Wiener Atelier über einen Zeitraum von fast zwei Jahren zwischen Herbst 2017 und Sommer 2019 geschaffen. Das Zusammenspiel zweier Ausstellungen – die eine historischer, die andere zeitgenössischer Kunst gewidmet – ist in dieser Form eine Premiere für das Kunsthistorische Museum.

Mosettigs künstlerische Praxis ist eine der bedeutendsten zeitgenössischen Positionen im Umgang mit dem Medium Zeichnung und hat national wie international Beachtung gefunden, u.a. in der Secession und dem Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig in Wien, in der Saatchi Gallery in London, in den Kunsthallen Karlsruhe und Nürnberg und zuletzt in der Kunsthalle Darmstadt.

Klaus Mosettig unterzieht die Röntgenbilder einer mehrstufigen medialen Transformation: Aus den Originalaufnahmen werden Diapositive. Diese projiziert der Künstler in seinem Atelier auf einen Papierbogen an der Wand, und dieses stark vergrößerte, aus reinen Lichtwerten bestehende Bild wird zur Eins-zu-Eins-Vorlage einer eigenhändigen, höchst diszipliniert erstellten Zeichnung. Eine weitere Ebene erfährt der Prozess durch Mosettigs Zeichentechnik: In stets gleichbleibender Handbewegung übersetzt der Künstler die Projektion in schräggestellte Schraffuren. Diese füllen in vertikalen Bahnen von etwa fünf Zentimetern Breite nach und nach das Blatt von links nach rechts. Gleichbleibend ist auch der Druck auf den Bleistift; bis zu zehn unterschiedliche Härtegrade sorgen für subtile Abstufungen, die den verschiedenen Helligkeitswerten des projizierten Bildes entsprechen.

Die Röntgenbilder entstanden 2010 im Rahmen technologischer Untersuchungen des Gemäldes und decken als Reihe von 15 Einzelaufnahmen von jeweils 30 × 40 cm die Gesamtheit des auf Pappelholz gemalten Bildes ab (90,5 × 116,5 cm). Der Befund ist in diesem Fall besonders aufschlussreich, weil ein zweites, älteres Bild unter der heute sichtbaren Oberfläche auftaucht: eine mythologische Szene mit Venus, Mars und Amor, von einem unbekannten manieristischen Maler. Caravaggio hat die Tafel wiederverwertet, mit einer Farbschicht zur Gänze abgedeckt, um 90 Grad gedreht und sein eigenes Bild darüber gemalt. Neben den erkennbaren Großformen prägen unzählige kleine Spuren und Markierungen den Charakter der Röntgenaufnahmen, bedingt durch Materialbeschaffenheit, Alterungsprozesse sowie spätere Behandlung des Bildes, wie zum Beispiel Fraßgänge von Holzwürmern, die bei einer Restaurierung Mitte des 20. Jahr- hunderts gekittet wurden.

Bei Klaus Mosettig entsteht daraus in kontemplativer Arbeit ein faszinierendes und schwer zu greifendes Seherlebnis, das je nach Abstand unterschiedliche Wirkungen entfaltet. Aus der Distanz werden auf manchen Blättern Motive erkennbar, hier ein Auge, dort ein Kopf, Schulter und Brust Davids, während andere wie formlose Abstraktionen in Schwarzweiß erscheinen. Die originalen Röntgenbilder erfassen das Caravaggio-Gemälde in drei horizontalen Reihen zu je fünf Aufnahmen. Die Hängung der David Plates folgt dieser Systematik, bringt die 15 Arbeiten allerdings in eine durchgehende Reihe. Formale Auffälligkeiten wie dunkle Ränder und relativ großzügige Überlappungszonen sind funktionaler Teil der Originalaufnahmen und regen zur imaginären Rekonstruktion des Gesamtbildes an. Mosettigs Arbeiten wollen aber dezidiert auch aus der Nähe wahrgenommen werden. Hier springt die Betrachtung in eine andere Dimension, es zeigt sich die visuelle Grundsubstanz der Zeichnungen, ein flirrendes Mosaik schraffierter Flecken in fein differenzierten Grautönen. Ein Bild der Auflösung von hohem ästhetischen Reiz, gleichzeitig ein Nachweis beharrlicher manueller Arbeit, wie eine Mosettig-Signatur. Auf dieser Ebene treffen sich ganz unterschiedliche Dinge, die schon Eingang in Mosettigs Kunst gefunden haben, sei es andere Kunst, wie z.B. die Drip Paintings von Jackson Pollock (2009–2012) oder geometrisch-flächige Malerei von Josef Albers (Withdrawal, 2012– 2015), aber auch Kritzelzeichnungen der eigenen Tochter (Informel, 2014–2017), Nahaufnahmen der Mondoberfläche (Apollo 11, 2008) oder eine von Gebrauchsspuren gezeichnete Tischplatte, auf welcher Geflüchteten in Griechenland die Fingerabdrücke abgenommen wurden (Handwriting, 2018).

Der Künstler arbeitet mit Paradoxien. Sein Zeichnen kennt keine Linien, keine Konturen, schafft keine Hierarchien. Schraffuren, für gewöhnlich Tiefe und Körperlichkeit suggerierend, tasten stoisch eine Fläche ab. Das Künstlersubjekt macht sich zum Automaten, zum Scanner, aber der Übertragungsvorgang wird „gestört“, hat ein Eigenleben. Der zeichnerische Prozess zelebriert Gleichgültigkeit – doch ist das Ergebnis alles andere als emotionslos, es lässt sich vielmehr als Dokument der Hingabe an zufällige Strukturen verstehen –, frei von Gestaltung, formuliert in einem Medium, das traditionell gerade für Gestaltung stand, für das souveräne Erschaffen von Welten mit kontrolliertem Strich. Kategorien geraten durcheinander, Nähe und Distanz, Motiv und Abbild, Original und Kopie, das Singuläre, Nichtwiederholbare als Reproduktion, Serie, Arbeitsprogramm. Mit einem Höchstmaß an Beherrschung macht uns Mosettigs Kunst bewusst, was wir nicht beherrschen können.

BIOGRAPHIE KLAUS MOSETTIGKlaus Mosettig, geboren 1975 in Graz, hat bei Bruno Gironcoli an der Akademie der bildenden Künste in Wien Bildhauerei studiert. Von Beginn an interessiert er sich für einen erweiterten Skulpturenbegriff mit Betonung der zeitlichen Dimension, etwa in frühen Arbeiten mit 16-mm-Film. In der Folge findet Mosettig zu Formen, die den prozessualen Aspekt von Skulptur bzw. Plastik in den Blick nehmen. Aus dem Jahr 2006 stammt die Installation Processual Minimalism, eine „Kollaboration“ mit einer temporär in Acrylglasboxen eingeschlossenen Ameisenkolonie. Mosettigs erste institutionelle Einzelausstellung findet im selben Jahr in der Neuen Galerie Graz statt. Unter dem Titel Holzplastik stehen Apfelbäume im Zentrum der Ausstellung, als lebendige Kunstwerke, durch Veredeln und Pfropfen über längere Zeiträume hinweg „erzogen“, inspiriert von sozialutopischen Konzepten von Charles Fourier (1772–1837). Mosettigs Koordinatensystem zeigt sich hier in voller Ausprägung, als ein Arbeiten mit Polaritäten wie Zufall und Kontrolle, Natur und Kunst, Prozess und Werk, stringent in der Konzeption und gleichzeitig mit einer starken sinnlich-körperlichen, um nicht zu sagen handwerklichen Komponente.

Die Apfelbäume der Grazer Ausstellung waren begleitet von Zeichnungen, die minutiös die künstlerischen Eingriffe in den Wachstumsprozess festhielten. Das Medium Zeichnung war in verschiedenen Erscheinungsformen stets von hoher Bedeutung in Mosettigs Kunst. Seit der Ausstellung Pradolux 2009 in der Wiener Secession steht es im Zentrum seiner Arbeit und ihrer öffentlichen Wahrnehmung. Zum Signum von Mosettigs Zeichenpraxis wird ein Verfahren, das er unterschiedslos auf verschiedenartige Vorlagen anwendet und das zwei Konstanten aufweist: eine Diaprojektion, die das eigentliche Motiv der Zeichnung darstellt, und die systematische Übertragung des Lichtbilds mit Bleistiftschraffuren in Grauwerte. Der Künstler arbeitet regelmäßig in Serien und greift häufig auch auf künstlerische Mittel wie Wiederholungen oder Spiegelungen zurück.

Die gewählten Vorlagen durchmessen ein weites Feld und reichen von prominenten Kunstwerken (von Jackson Pollock, Josef Albers, Käthe Kollwitz u.a.) bis zu Ablagerungen von Staub und Schmutz (Projektorenporträts, 2008/09), von Kritzelzeichnung der eigenen Tochter (Informel, 2014–2017) bis zu Fotos der Mondoberfläche (Apollo 11, 2008/09) und einer Tischplatte in Griechenland, auf welcher Fingerabdrücke von Geflüchteten abgenommen wurden (Handwriting, 2017/18). Sachlich divers und emotional unterschiedlich besetzt werden alle diese Funde zu gleichberechtigten visuellen Fakten, zum Stoff für Mosettigs kontemplativ-manuelle Übersetzungsarbeit. Bei aller Konsequenz im Zugang eröffnen sich je nach Werkserie unterschiedliche Horizonte und Reflexionen zu Medium und Material, Malerei und Zeichnung, Erfindung und Aneignung, Unikat und Repetition, Abbild und Wirklichkeit, Moment und Dauer, Nähe und Distanz.

Mosettigs Arbeiten waren vielfach in Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen, darunter: Kunsthalle Darmstadt, Kunsthalle Krems, Belvedere 21 Wien, Saatchi Gallery, London, Kunsthalle Karlsruhe, Kunsthalle Nürnberg, Stadtgalerie Schwaz, Kunstraum Dornbirn, mumok, Wien, Secession Wien, Galerie im Taxispalais Innsbruck und Neue Galerie Graz. Er erhielt zahlreiche Preise und Stipendien, unter anderem: Kunstpreis der Stadt Graz und Förderungspreis der Stadt Wien. Der Künstler lebt und arbeitet in Wien.

Tags: Klaus Mosettig, Michelangelo da Caravaggio, Röntgen

ÖFFNUNGSZEITEN
Bis 13.1.2019täglich 10 – 18 UhrDo, bis 21 Uhr
Ab 14.1.2019Di – So, 10 – 18 UhrDo, 10 – 21 Uhr
Einlass ist jeweils bis eine halbe Stunde vor Schließzeit!

Das könnte Sie auch interessieren.
Wien, Ausstellung, 30.01.2025 - 26.05.2025
Ivan Grohar, Das Feld von Rafolče, 1903  Foto: Belvedere, Wien
Wien, Ausstellung, 15.02.2025 - 29.06.2025
Anton Corbijn Nina Hagen und Ari Up, Malibu 1980 © Anton Corbijn
© Anna Stöcher
Wien, Ausstellung, 02.10.2025 - 18.01.2026
Marina Abramović  Freeing the Voice, 1975  Courtesy of the Marina Abramović Archives © Marina Abramović. Image courtesy of Marina Abramović Archives