Meine erste Begegnung mit Tina Ribarits’ Electric Entity [Pelican] war überraschend, betörend und beunruhigend zugleich. In dieser ersten Version der Arbeit stand der Pelikan in absoluter Dunkelheit – eine einsame Gestalt, ausgeschnitten aus jeglicher Landschaft, die ihm einen Kontext hätte geben können. Dennoch schien der Vogel zu leben, war buchstäblich animiert und wandte seinen Kopf fast unmerklich von einer Seite zur anderen. Sein Körper leuchtete in gedämpftem Licht, und von Zeit zu Zeit schien sein schwarzes Auge mich direkt anzublicken. Electric Entity [Pelican] präsentiert sich selbst als Illusion, das Bild eines Vogels gefangen in einem digitalen Loop. Gleichzeitig stellt der direkte Bezug auf seinen Namen eine Verbindung zur Indexikalität der Fotografie her, und die Klammern erinnern an die Systematik in der Naturgeschichte und damit an die Lücke zwischen Signifikant und Signifikat. Langsam, während meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten, wurde die Projektion in ihrem Mechanismus deutlich: Sorgfältig ausgeführte Glitches unterbrachen gelegentlich das Bild, und dennoch ließen der Detailreichtum der Federn, das Flimmern der Sonne und die Schatten auf dem Körper einen echten Vogel anstatt eines Avatars erkennen. Wenn der Kopf des Pelikans sich wendet, zieht die außergewöhnliche Physiognomie die Aufmerksamkeit der Betrachter:innen auf sich – wie der Kopf mit dem Hals verbunden ist, der seltsame Schnabel, der Kehlsack und die beinahe absurd anmutenden Schwimmfüße.Bei der besagten ersten Installation von Electric Entity [Pelican] war der Vogel fast so groß wie ein Mensch, ein vergrößerter Maßstab, der in eine prähistorische Zeit gehörte und daran erinnerte, dass alle Vögel Nachkommen von Dinosauriern sind. Die neue Version der Arbeit präsentiert den Vogel auf einem Monitor, der fast lebensgroß ist, sodass Betrachter:innen und der Vogel sich auf Augenhöhe begegnen. Der Monitor verweist subtil auf gegenwärtige mediale Formate und die omnipräsente Faszination für die intime Darstellung des Lebens von Tieren in zahlreichen Naturdokumentationen und Amateurvideos. In kurze Segmente zerlegt, finden sie als momenthafte Köder über soziale Medien Verbreitung, wo sie uns entzücken, zur Identifikation animieren und dadurch zum Scrollen verleiten. Das Buch Capture von Antoine Traisnel: American Pursuits and the Making of a New Animal Condition beschreibt die kulturelle Abkehr vom Regime der Jagd, für das der Ornithologe und Künstler John James Audubon aus dem Siedlerkolonialismus des 19. Jahrhunderts steht. Das Wissen über Tiere und die Gründung der Naturgeschichte als institutionalisierte wissenschaftliche Disziplin hing von einer körperlichen, gewaltsamen Nähe ab, die durch das Jagen, Töten, Sammeln und Ausstellen von „Exemplaren“ perpetuiert wurde. Die neue Ära der Fotografie, die mit dem Aufkommen der sechsten Aussterbewelle begann, hat die Naturgeschichte um ein anderes visuelles System neu konfiguriert – das visuelle Einfangen. Das fotografische Bild, so Traisnel, ist der paradoxe Versuch, die geheimnisvolle Lebendigkeit der Tiere in jenem historischen Moment einzufangen, wo sie aus unserem Alltag verschwinden. In Anbetracht der Tatsache, dass Vögel in der Kunst seit langem als mächtige Symbole dienen, ist es bezeichnend, dass Ribarits sich auf visuelle Begegnungen mit Arten konzentriert, die kaum mit einer genau definierten Symbolik verbunden sind. Allerdings sprechen sie häufig die anhaltende Verführungskraft tropischer Fülle an, die sich in der westlichen Vorstellung so hartnäckig hält. Losgelöst von seinem Kontext und seiner Lebenswelt ist der Pelikan gefangen in seiner eigenen Repräsentation, doch der Vogel konfrontiert uns dabei auch mit seiner Andersartigkeit und hält mit seinem unergründlichen Blick fest – und fängt damit auch uns ein.