Roberto Matta (1911–2002), einer der visionärsten Maler des 20. Jahrhunderts, gilt es ab Frühjahr 2024 im Bank Austria Kunstforum Wien in einer ersten…
Roberto Matta (1911–2002), einer der visionärsten Maler des 20. Jahrhunderts, gilt es ab Frühjahr 2024 im Bank Austria Kunstforum Wien in einer ersten…
Roberto Matta (1911–2002), einer der visionärsten Maler des 20. Jahrhunderts, gilt es ab Frühjahr 2024 im Bank Austria Kunstforum Wien in einer ersten Retrospektive in Österreich seit über 30 Jahren neu zu entdecken.
Matta, so wollte er genannt werden, eroberte gleich zweimal einen wichtigen Platz in der modernen Kunstgeschichte: erst in der Begegnung mit den Surrealisten, dessen jüngster Vertreter er wurde, und kurz darauf durch den entscheidenden Austausch mit den jungen Künstlern des Abstrakten Expressionismus in New York, wie Robert Motherwell, Jackson Pollock und Arshile Gorky. Doch Mattas künstlerische Entwicklung nur im Fokus des Surrealismus oder des Abstrakten Expressionismus zu betrachten, greift zu kurz. Trotz der Aufmerksamkeit, die ihm durch die Künstlerkreise in Paris und später New York zu Teil wurde, blieb Matta ein Einzelgänger.
Mattas Biographie ist die eines Weltenbürgers: geboren in Santiago di Chile als Kind spanisch-französischer Eltern, lebte und arbeitete er in Südamerika, Frankreich, Mexiko, den USA, Italien, Spanien und England. Ursprünglich auf Wunsch des Vaters als Architekt in Santiago ausgebildet, verließ er Chile 1933 in Richtung Europa und begann im Atelier von Le Corbusier als Architekt zu arbeiten.
Die Innenwelten des AutodidaktenAls Maler ist Matta Autodidakt. Er startete seine Karriere mit Zeichnungen, die er über Vermittlung eines Freundes der Familie, dem Dichter Federico Garcia Lorca, Salvador Dalí zeigte. Dieser ermunterte ihn seine künstlerischen Arbeiten weiter zu verfolgen und stellte ihn André Breton vor.
1939 entstanden die ersten Bilder der Serie „Morphologies psychologiques“ – die Innenwelten, die Matta auch „Inscapes“ nannte und die einen neuen Ansatz für die Weiterführung der surrealistischen Formensprache darstellen: Matta experimentierte mit radikal neuen Räumen, die eine alternative räumlich-zeitliche Realität abbilden und jenseits der Traumwelt, des Automatismus, des Unbewussten, wie sie für den Surrealismus charakteristisch sind, angesiedelt sind.
Entdeckung der RaumbezirkeMarcel Duchamp, der als Freund großen Einfluss auf Mattas persönliche und künstlerische Entwicklung hatte, bezeichnete die „Entdeckung von Raumbezirken, die im Bereich der Kunst bislang unerforscht geblieben waren“, als Mattas originären Beitrag zum Surrealismus: „Matta folgte den modernen Physikern auf der Suche nach diesem Raum, der, obzwar auf Leinwand dargestellt, nicht mit einer weiteren dreidimensionalen Illusion verwechselt werden konnte (…). Später gelang es ihm, in seinen Raum deskriptive und figürliche Elemente hineinzubringen.“ – Marcel Duchamp, 1946
Politische KunstDas wohl prägendste und einflussreichste Erlebnis für den jungen Matta war das Zusammentreffen mit Pablo Picasso im Rahmen seiner Tätigkeit als Assistent für den spanischen Pavillon auf der Weltausstellung in Paris 1937. Anlässlich der Weltausstellung schuf Picasso vor dem Hintergrund des europaweit aufkommenden Faschismus „Guernica“. Picassos Einfluss auf den jungen angehenden Künstler manifestierte sich darin, Mattas Haltung, dass Kunst politisch sei, zu bestärken. Formal schlug sich die Auseinandersetzung in der Wahl seiner großen Formate nieder.
Matta ging wie viele Künstler des Surrealismus Ende 1939 nach New York ins Exil. Aufgrund seiner sehr guten Englischkenntnisse und seiner Kontaktfreudigkeit, stellte er bereits 1940 in der Galerie Julien Levy aus und nahm 1942 an der legendären Ausstellung im Whitelaw Reid Mansion „First Papers of Surrealism“ teil und fand rasch Anschluss an die New Yorker Kunstszene. Hilfreich waren die großen Ausstellungen, die das Museum of Modern Art 1941 Joan Miró und Salvador Dalí widmete. So wurde den europäischen Exilkünstlern des Surrealismus viel Aufmerksamkeit zuteil, und zudem hatten die jungen amerikanischen Maler großes Interesse an Begegnungen und Austausch mit den europäischen Künstlern. Matta nahm hier eine herausragende Stellung ein, da er früh mit Robert Motherwell, Jackson Pollock, Arshile Gorky u.v.a. in Kontakt kam und als Ideen-Vermittler fungierte. Sein Einfluss prägte die Entwicklung des Abstrakten Expressionismus in Amerika nachhaltig, wobei Matta den Schritt in die Abstraktion nicht vollzog, seine Malerei blieb stets gegenständlich.
Aus den Fugen geratene Welt prägt neue FormenspracheIn den folgenden Jahren entwickelte Matta eine neue Formensprache, weg von den „Morphologies Psychologiques“ hin zu einer Weltauffassung, die ein aus den Fugen geratenes und aus Fragmenten einer explodierenden Welt zusammengefügtes Universum zeigte. Angeregt von den mexikanischen Wandmalereien der Muralisten um Diego Riviera, den Matta auf seiner Mexikoreise 1941 kennenlernte, beschäftigte sich der Künstler mit der besonderen Erzählstruktur, die sich aus den Großformaten ergab. Ebenso rückten deren sozialkritische Thematik in seinen Fokus. Die Beschäftigung mit politischen Themen sowie die Auseinandersetzung mit Naturwissenschaften, insbesondere mit der Physik, bleiben Konstanten in seinem Werk.
Seit den 1945er-Jahren nehmen Mattas Formate die Größe von Wandmalereien an, so zum Beispiel „Le doute de trois mondes“, das er 1956 für die UNESCO in Paris geschaffen hatte. Die Dimension war die Voraussetzung für die Entwicklung seiner spezifischen Erzählstruktur, die sich wie ein fortlaufender Text lesen lässt und den Betrachter so in das Bild hineinzieht: In diesem neuen, fortlaufenden Erzählraum sind Verweise auf Kino, Kybernetik, Kosmos und Science-Fiction anzutreffen. Sein Monumentalwerk „Coïgitum“ (1972) verhandelt auf zehn Metern Breite Themen wie Eros, Lebensenergie, Natur, Liebe, die Kräfte des Unterbewussten und der Begierde.
Von 1948 an lebt und arbeitet Matta wieder in Europa und pendelt zwischen Paris und Tarquinia in Italien.
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